Geschrieben von joschma
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Samstag, 28. Juli 2007 |
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Geschichte und Strecke
Im Jahre 1895 gab es erste Planungen, das Misox mit einer vom Bahnhof Castione-Arbedo der Gotthardbahn ausgehenden Bahnlinie zu erschliessen. Nachdem man zuerst an eine normalspurige Strecke dachte, fiel auf Vorschlag der Bündner die Entscheidung zugunsten einer elektrisch betriebenen Meterspurbahn. Nachdem am 26. Juli 1903 in Lostallo die Società Ferrovia elettrica Bellinzona-Mesocco (BM) gegründet worden war, nahm man 1905 die Bauarbeiten auf.
Der 21,4 km lange erste Teil der Strecke wurde am 6. Mai 1907 dem Verkehr übergeben. Es handelte sich dabei um den Abschnitt von Bellinzona über Castione-Arbedo, Lumino, San Vittore, Roveredo, Grono, Leggia und Cama nach Lostallo. Das Reststück von 9,9 km zwischen Lostallo und Mesocco mit Halten in Cabbiolo und Soazza folgte knapp drei Monate später und war ab dem 31. Juli 1907 befahrbar. Die 31,3 km lange Gesamtstrecke wies drei Tunnel, 28 Brücken (darunter drei grosse Viadukte über den Fluss Moësa) sowie 15 Stationen und Haltestellen auf. Die Maximalsteigung betrug 60 Promille, der kleinste Kurvenradius 80 Meter. Das bahneigene Kraftwerk Cebbia bei Mesocco versorgte die Linie mit 1500 Volt Gleichstrom.
Immer wieder gab es Bestrebungen, die Linie ab Mesocco über San Bernardino und Splügen nach Thusis zu verlängern und an das bestehende RhB-Stammnetz anzuschliessen. Daraus wurde jedoch nichts, und so war die BM Jahrzehnte lang die einzige Bündner Schmalspurbahn ohne Gleisverbindung zum Stammnetz. Als wintersichere Nord-Süd-Verbindung wurde statt dessen in den 1960er Jahren die parallel verlaufende Nationalstrasse A13 gebaut.
Nachdem sich der Verkehr in den 1930er Jahren unbefriedigend entwickelt hatte, fusionierte die BM zu Neujahr 1942 mit der Rhätischen Bahn (RhB), welche sämtliche Fahrzeuge übernahm und Gleisanlagen sowie Stromversorgung umfassend erneuerte. 1955 wurde der Rollschemelbetrieb aufgenommen. Ein Problem konnte die RhB nicht lösen: in Bellinzona begann die BM nicht etwa am SBB-Bahnhof, sondern rund 10 Gehminuten entfernt an der Piazza Mesolcina. Hinzu kamen Konflikte mit den Strassenplanern - denen die kleine Bahn beim Bau der A13 als ein Hindernis erschien - so dass seit 1966 diskutiert wurde, den Bahnbetrieb aufzugeben.
Am 28. Mai 1972 wurde der Personenverkehr auf der Misoxerbahn eingestellt. Diese Aufgabe übernahmen fortan Postautos. Die bessere Erschliessung des Tales durch die bereits oben genannte A13 war hierfür unter anderem ausschlaggebend. Die Autobusse verkehrten nun von Thusis über den San-Bernardino-Pass oder durch den San-Bernardino-Tunnel bis nach Bellinzona. Der Güterverkehr zwischen Castione und Mesocco blieb erhalten. Das 3,5 km lange Teilstück zwischen Castione und Bellinzona wurde hingegen 1972 aufgrund mangelnder Rentabilität aufgegeben und umgehend abgebrochen. Im August 1978 beschädigten schwere Unwetter den oberen Teil der Strecke so stark, dass man sich entschloss, die Linie ab Cama stillzulegen.
Auf dem verbleibenden Reststück zwischen Castione, dem betrieblichen Mittelpunkt der Linie, und Cama betrieb die RhB einen immer spärlicher werdenden Güterverkehr. Als Ersatz für das frühere Depot Mesocco richtete man eine ausgediente Fabrikhalle in Grono als Werkstätte ein. Ab und an gab es für Eisenbahnfreunde die Möglichkeit, mit Sonderzügen das Misoxtal von der Schiene aus zu erkunden. Der letzte herbe Schlag traf die RhB-Linie mit der Schliessung der Val-Moesa-Werke (Monteforno SA/Von Roll), des grössten Industriebetriebs im Tal und wichtigsten Auftraggebers für Gütertransporte. Silvester 2003 wurde die Strecke von der RhB auf- und an die Eisenbahner der Ferrovia Mesolcinese übergeben, die sich schon seit 1995 um Fahrten für Touristen auf der Reststrecke im unteren Misox bemüht.
An der Linie hat sich seit der Übernahme durch die Ferrovia Mesolcinese wenig verändert. Die Fahrzeuge werden in der Remise bei Grono gewartet. Als Betriebszentrum fungieren die grosszügigen Bahnanlagen von Castione-Arbedo, wo die Triebwagen und Wagen der FM abgestellt sind. Die Strecke Castione-Cama bleibt elektrisch befahrbar; planmässige Züge verkehren an Sonntagen von Juli bis Oktober.
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